Kündigungsschutz Schwerbehinderung: Wie ist die Rechtslage und wie sollten Betroffene bei einer Kündigung reagieren?

März 24, 2025 | Arbeitsrecht

Die Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers wirft oft viele rechtliche Fragen auf – sowohl für die Betroffenen als auch für Arbeitgeber. Dieser Beitrag gibt einen umfassenden Überblick über die aktuelle Rechtslage und erklärt, welche besonderen Schutzmechanismen für schwerbehinderte Menschen gelten, ab welchem Grad der Behinderung sie greifen und wie im Falle einer Kündigung richtig reagiert werden sollte.

Kündigungsschutz SchwerbehinderungDabei geht es unter anderem um den besonderen Kündigungsschutz nach dem SGB IX, die Rolle des Integrationsamtes, Ausnahmen während der Probezeit sowie die Bedeutung von Fristen und Informationspflichten.

Abschließend erhalten Betroffene konkrete Handlungsempfehlungen und erfahren, wie eine anwaltliche Unterstützung helfen kann, die eigenen Rechte effektiv durchzusetzen. Ein unverzichtbarer Leitfaden für alle, die Klarheit und Orientierung in einer schwierigen Situation suchen.

Besteht Kündigungsschutz bei Schwerbehinderung?

Schwerbehinderte Menschen genießen einen besonderen Kündigungsschutz. Dieser ist im Sozialgesetzbuch IX (SGB IX) verankert und soll sicherstellen, dass Personen mit Schwerbehinderung aufgrund ihrer Beeinträchtigungen nicht benachteiligt werden. 

Ab welchem Grad der Behinderung (GdB) gilt der schwerbehinderten Status für Arbeitnehmer?

Der schwerbehinderten Status gilt bei einem GdB von mindestens 50. Bei einem GdB von mindestens 30 und weniger als 50 können jedoch auch Personen einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden.

 

Ab wann kann sich ein Arbeitnehmer auf den besonderen Kündigungsschutz für schwerbehinderte Arbeitnehmer berufen?

Der Arbeitnehmer muss vor der Kündigung mindestens einen Antrag auf Feststellung der Behinderung oder auf Gleichstellung gestellt haben, um von dem besonderen Kündigungsschutz für Schwerbehinderte profitieren zu können.

Zudem ist erforderlich, dass der Arbeitnehmer auch seinen Mitwirkungspflichten im Antragsverfahren nachgekommen ist.

Wurde dagegen ein Antrag auf Feststellung der Behinderung oder auf Gleichstellung von dem Arbeitnehmer nicht gestellt oder ist der Arbeitnehmer seinen Mitwirkungspflichten nicht ausreichend nachgekommen, so besteht kein besonderer Kündigungsschutz für den Arbeitnehmer.   

Es kann jedoch eine Ausnahme von dem Erfordernis der vorherigen Antragsstellung bestehen:

Dies wäre der Fall, wenn dem Arbeitgeber die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers offenkundig bekannt ist. Zudem müsste der Arbeitnehmer den Arbeitgeber vor Kündigungsausspruch über eine bestehende Beeinträchtigung informiert und angekündigt haben, dass er beabsichtige aufgrund dieser Beeinträchtigung einen Antrag auf Schwerbehinderung zu stellen. Der Arbeitnehmer ist in dieser Konstellation jedoch nicht davon befreit, den angekündigten Antrag auf Schwerbehinderung noch zu stellen.

Kündigung was tun

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Welche Besonderheiten gibt es bei einer Kündigung von schwerbehinderten Arbeitnehmern?

Gemäß § 168 SGB IX bedürfen Kündigungen von schwerbehinderten Menschen der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber muss daher vorher von der Behörde genehmigt werden. Dies ist ein wichtiger Punkt, den sich beide Seiten, Arbeitgeber und Arbeitnehmer, vor Augen führen sollten. 

Was gilt während der Probezeit?

Während der Probezeit ist der Kündigungsschutz von schwerbehinderten Arbeitnehmern dahingehend eingeschränkt, dass die Zustimmung des Integrationsamtes gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX nicht notwendig ist.

 

Wie sollten schwerbehinderte Arbeitnehmer reagieren, wenn Ihnen eine Kündigung zugegangen ist?

Wenn Schwerbehinderte oder einem Schwerbehinderten gleichgestellte Arbeitnehmer gegen die Kündigung vorgehen möchten, müssen Sie innerhalb von drei Wochen nach Erhalt des Kündigungsschreibens Kündigungsschutzklage einreichen. Diese Frist ist absolut bindend – wird sie versäumt, gilt die Kündigung automatisch als rechtswirksam.

Was gilt in Fällen, in denen der Arbeitgeber im Zeitpunkt der Kündigung keine Kenntnis von der Schwerbehinderung des Arbeitnehmers hatte?

Auch in den Fällen, in denen sich ein Arbeitnehmer auf Unwirksamkeitsgründe außerhalb des Kündigungsschutzgesetz berufen möchte, wie etwa darauf, dass eine Kündigung unwirksam ist, weil die vorherige Zustimmung des Integrationsamtes fehlt, muss die dreiwöchige Klagefrist beachtet werden.

Des Weiteren hat der Arbeitnehmer den Arbeitgeber innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist über seine Schwerbehinderung zu informieren, sofern er sich im Klageverfahren auf die Nichtbeachtung der Voraussetzungen von § 168 SGB IX stützen möchte.

Unsere Expertise beim Kündigungsschutz bei Schwerbehinderung

Als Rechtsanwälte und Fachanwälte für Arbeitsrecht haben wir langjährige Erfahrung zu Fällen im Zusammenhang mit Kündigungen von Schwerbehinderten oder diesen gleichgestellten Arbeitnehmern sammeln können.  

Wir haben aufgrund zahlreicher von uns betreuter Fälle in diesem Bereich erfolgreich Strategien entwickeln können, wie in solchen Situationen bestmöglich reagiert werden sollte, um Ihre Rechte und Interessen bestmöglich zu wahren.

Gerne können wir Sie hierzu bei Bedarf umfassend beraten, gegenüber Ihrem Arbeitgeber vertreten und Ihre Rechte und Interessen auch in einem Verfahren vor dem Integrationsamt oder vor Gericht bestmöglich durchsetzen und schützen.

Anwalt Arbeitsrecht Hamburg

Unsere Handlungsempfehlungen zum Thema Kündigungsschutz bei Schwerbehinderung

  • Schnelles Handeln ist unerlässlich – Die Frist zur Einreichung der Kündigungsschutzklage beträgt 3 Wochen ab Zugang der Kündigung. Für die Anzeige einer bestehenden Schwerbehinderung oder Gleichstellung sind auch die gleichen 3 Wochen als Maßstab zu nehmen, da andernfalls die Gefahr einer Verwirkung besteht. 
  • Rechtlichen Rat einholen: Rechtsanwälte und Fachanwälte für Arbeitsrecht können eine wertvolle Hilfe bieten und die Erfolgschancen für die Durchsetzung Ihrer Interessen erhöhen.
  • Sämtliche Unterlagen wie der Kündigungsbrief, Arbeitsverträge sowie Nachweise über Ihre Schwerbehinderung sollten sorgfältig aufbewahrt werden, da diese ggf. entscheidende Beweismittel im Prozess darstellen können.

 

Häufige Fragen und Antworten zum Thema Kündigungsschutz Schwerbehinderung

Kann sich ein Schwerbehinderter auch gegen eine Kündigung wehren, wenn der Arbeitgeber von der Schwerbehinderung keine Kenntnis hatte?

Ja, wichtig ist jedoch, dass der Arbeitnehmer neben der fristgerechten Erhebung der Kündigungsschutzklage, den Arbeitgeber auch innerhalb von 3 Wochen ab Zugang der Kündigung über die bestehende Schwerbehinderung oder Gleichstellung in Kenntnis setzt, wenn der Arbeitnehmer sich auf seine Schwerbehinderung berufen möchte.

Muss der Arbeitgeber im bestehenden Arbeitsverhältnis über eine Schwerbehinderung oder Gleichstellung in Kenntnis gesetzt werden?

Nein, der Arbeitgeber muss grundsätzlich nicht über eine bestehende Schwerbehinderung oder Gleichstellung in Kenntnis gesetzt werden.

Ist die Zustimmung des Integrationsamtes für jede Kündigung eines schwerbehinderten erforderlich?

Nein, während der Probezeit ist die Zustimmung des Integrationsamtes gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX nicht notwendig ist.

Wann stimmt das Integrationsamt einer Kündigung eines Schwerbehinderten zu?

In der Regel stimmt das Integrationsamt der Kündigung eines Schwerbehinderten zu, wenn die Kündigung aus einem Grund erfolgt, der nicht im Zusammenhang mit der Behinderung steht.

Ihr Weg zu uns

In einem ersten Gespräch – telefonisch, per Video oder persönlich in unserer Kanzlei – analysieren wir Ihre Situation und entwickeln eine individuelle Strategie.

    Bildquellennachweis: AndreyPopov | Canva.com

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